Gefühlschaos in Vietnam

Tagebucheintrag 15. April 2020:

Seit 3 1 /2 Monate sind wir nun schon auf unserer Langzeitreise. Es ist viel passiert in den letzten Monaten und tatsächlich überwogen die schönen Momente. Am 06. Januar sind wir aufgebrochen, in ein neues Leben, mit nichts als zwei aufgeregten Herzen und zwei vollgepackten Rucksäcken auf den Schultern. Mit viel Vorfreude und Dankbarkeit im Gepäck. Wir sind in Sri Lanka todesmutig mit den Bussen durchs Land gereist, haben zum ersten Mal Elefanten in freier Wildbahn gesichtet und an einer heiligen Zeremonie teilgenommen. Wir haben gelernt, wie man eine Kokosnuss ausnimmt und traditionelles Curry zubereitet, haben zugesehen, wie hunderte von kleinen Baby-Schildkröten aus dem Sand geschlüpft sind und ihren Weg zum Meer gefunden haben. Sind auf unzählige Berge gewandert und von Pfauen auf dem Dach geweckt worden, haben Kakerlaken ins Delirium geschickt und viele ekelhafte Klos zu Gesicht bekommen.

Auf den Philippinen sind wir mit einem Walhai geschwommen, ich hatte so große Angst, aber hinterher war es einfach nur unbeschreiblich schön. Wir haben die nettesten Menschen überhaupt kennengelernt und uns in die Lebensfreude der Filipinos verliebt. Haben die leckersten Mangos der Welt gegessen und noch andere Früchte, von denen ich nicht wusste, dass sie existieren. Wir sind mit dem Roller durch die Gegend gefahren und haben den Moment gefeiert, als gebe es nur diesen einen Augenblick.

Haben auf einer kleinen Insel gelebt und wären am liebsten dort geblieben, aber der Flug nach Vietnam war ja schon gebucht. Sind in Vietnam fast von der Taxi-Mafia ausgeraubt worden und dann wieder gerettet worden. Haben Vietnam verflucht und gleichzeitig in unser Herz geschlossen. Standen mitten in den Dünen und fragten uns, warum wir noch nie in der Wüste waren. Es war so schön, so viel Sand und Horizont. Und dann war da das Meer, so unergründlich und wild. Wie gerne habe ich aufs Meer geschaut in diesen Tagen… Ganz viel Meer und Sonnenuntergänge. Hach. Das Leben war so schön.

Und dann ganz heimlich, still und leise schlich sich dieses Virus in unsere Welt, in unseren Traum von der großen Freiheit auf Reisen. „Ach, ist doch nur ne Grippe“, dachten wir zu Anfang noch. Pustekuchen. Diese Grippe entwickelte sich zu einem richtigen Disaster. Einheimische mieden uns und wir stießen zum ersten Mal in unserem Leben auf Ablehnung, Fremdenfeindlichkeit. Ja, leider muss ich dieses hässliche Wort verwenden. Ich hätte niemals gedacht, dass es einen so sehr mitten ins Herz trifft. Aber uns ging es gut, wir hatten keine Not und auch generell versuchten wir das Beste aus der Situation zu machen. Immer öfters kam die Frage auf. Zurück nach Deutschland? Sollen wir gehen, bevor es zu spät ist… 

Zurück ins Hamsterrad, in die geordnete Welt, mit perfekter Krankenversicherung und Komfort. Gefangen sein, im eigenen Land, mit den perfekten Menschen, die immer das Richtige tun und dich verurteilen, wenn du nicht dasselbe tust. Mein Herz schrie auch in dieser furchtbaren Zeit, nach Abenteuer und Freiheit. Und irgendwie fühlte sich diese Reise abzubrechen auch wie aufgeben an. Nein, ich will noch nicht aufgeben, ich halte fest an meinem Traum.

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